Leere Stühle, blanke Tresen, drei ungewisse Jahre in Folge: Wohl kaum eine Branche hat in der Pandemie so sehr gelitten wie Eventmanagement und Gastronomie. Plötzlich blieben Reservierungs- und Auftragsbücher leer, große Gruppen waren verboten, die Möglichkeit eines neuerlichen Lockdowns schwebte wie ein Damoklesschwert über den Köpfen – wer nicht zumachen oder aufgeben musste, erlitt zumindest
Leere Stühle, blanke Tresen, drei ungewisse Jahre in Folge: Wohl kaum eine Branche hat in der Pandemie so sehr gelitten wie Eventmanagement und Gastronomie. Plötzlich blieben Reservierungs- und Auftragsbücher leer, große Gruppen waren verboten, die Möglichkeit eines neuerlichen Lockdowns schwebte wie ein Damoklesschwert über den Köpfen – wer nicht zumachen oder aufgeben musste, erlitt zumindest schwere Verluste.
Nach Angaben der dpa hat die Gastronomie allein im ersten Corona-Halbjahr 2020 rund 325 000 Mitarbeiter verloren; jede vierte Stelle wurde gestrichen, mehr als die Hälfte der Betreiber, Restaurantbesitzer und Hoteliers fürchtete um die eigene Existenz. Und es ging weiter: Auf einen (halbwegs) sorgenfreier Sommer folgte ein gnadenloser Winter – sechsmonatige Schließung, eine Verlängerung nach der nächsten, kein Ende in Sicht.
Die Gastronomie, die immer als krisenfreie Branche galt, als leichter Weg, sich ein kleines Zubrot oder den Lebensunterhalt zu verdienen, steckte mittendrin im Krieg gegen das Virus, kämpfte zwar nicht an vorderster Front, war aber doch die erste Leiche, die Covid-19 auf seinem Pfad der Verwüstung hinterließ.
Bisweilen wurden Lösungen gefunden: Events wie Buchmessen, Konzerte und Lesungen fanden online statt, das Schnitzel wurde eben nach Hause geliefert, anstatt es im Restaurant zu servieren. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Hans-Jürgen Fellner*, selbst langjähriger Gastronom in der Hannover Fußgängerzone. Seine Mitarbeiter waren lange in Kurzarbeit; wegen Corona musste er schließen. „Es war einfach nicht möglich, die Umsätze, die wir normalerweise gemacht hätten, mit dem Lieferservice wieder reinzuholen.“
Sein Plan für die Zukunft?
Einen neuen Laden eröffnen, diesmal weiter weg vom Zentrum. „Die Stammgäste bleiben erhalten, es geht nur darum, eine einigermaßen sichere Perspektive zu haben.“
So wie ihm geht es zur Zeit vielen in ganz Deutschland: Die Pandemie mag gehen, aber die Unsicherheit bleibt. Wer weiß schon, ob auf das Aufatmen im Sommer ein neuerlicher Pandemiewinter folgt? Ob das Virus nicht nochmal mutiert? Ob uns FFP2-Masken, Kontaktbeschränkungen und 2G+-Nachweise noch weiter begleiten – und zwar nicht nur die nächsten paar Monate, sondern das nächste Jahrzehnt?
Mit der Omikron-Welle scheint das Ende des Ausnahmezustands in greifbarer Nähe. Die Hotels laufen gut, Experten rechnen mit einem sprunghaften Anstieg der Zahlen im Tourismus, sollten die Maßnahmen und Reisebeschränkungen aufgehoben werden. Doch es bleibt ein Problem: Das Personal fehlt.
So wie viele Wirte schließen mussten, dutzende Selbständiger umgeschult oder aufgegeben haben, hat sich rund ein Drittel der bislang in Deutschland beschäftigten Köche, Kellner und Barkeeper in der Coronapause einen anderen Job gesucht. „Einer unserer Köche ist jetzt im Altersheim tätig, ein anderer im Supermarkt“, so Fellner. „Zwei unserer ehemaligen Kellner arbeiteten eine Zeit im McDonalds. Einige Ketten wie Lidl haben ja sogar aktiv um Personal aus der Gastro geworben, als klar wurde, dass der Lockdown länger dauert.“
Mit ihrer erprobten Kundenorientierung und Stressresistenz sind Servicekräfte auch in anderen Branchen begehrt. Dort erwarten sie häufig Bedingungen, die sich mit denen in der Gastro nur schwer vergleichen lassen: geregelte Arbeitszeiten, ein stressbefreites Umfeld und eine bessere Bezahlung zum Beispiel. Nicht jeder will zurück.
„Ich verdiene hier fast das Doppelte von dem, was ich im Lokal gemacht hab“, sagt Maria Winterhagen, die vor Corona in einer bairischen Wirtschaft tätig war. Mittlerweile hilft sie halbtags im Büro eines Zahnarztes aus. „Ohne Trinkgeld blieb mir in der Kurzarbeit fast nichts mehr über. Und ich muss ja etwas essen und meine Miete bezahlen.“
Die Krise scheint ein Brennglas über all die Probleme zu halten, denen Beschäftigte in der Gastronomie und Eventbranche schon seit Jahren begegnen: unsichere Vertragsverhältnisse, Mehrarbeit, schlechte Bezahlung. Will die Branche nach der Krise weiter überleben, muss sich etwas ändern.
„Wenn ich besser bezahlt werden würde, könnte ich mir schon vorstellen, wieder zurückzukehren“, sagt Winterhagen. „Ich liebe meinen Job. Aber er ist körperlich fordernd, wir sind oft unterbesetzt und haben viel Stress. Es macht nur Spaß, solange man von den Betreibern und Gästen auch etwas zurückbekommt. Ein Lächeln reicht da oft nicht.“
Gerade in der Stadt sind oft hohe Mieten zu bezahlen, das Trinkgeld schwankt – und brach im Lockdown schließlich ganz weg. Höhere Löhne könnten sicher dabei helfen, den ein oder anderen Mitarbeiter zurückzugewinnen – aber auch die müssen erst einmal erwirtschaftet werden: „Im Moment kann ich es mir gar nicht erst leisten, mehr zu bezahlen“, meint Fellner. „Da müssten erst einmal die Umsätze stimmen.“
Die große Hoffnung?
Ein coronafreier Sommer. Ob der wirklich kommt, kann nur die Zukunft zeigen.
Bis dahin haben Beschäftigte und Ehemalige noch etwas Zeit, sich über den weiteren Verlauf ihrer Karriere Gedanken zu machen. Schulungen können dabei helfen, etwaige Lücken im Lebenslauf zu überbrücken und den Wiedereinstieg zu erleichtern; unter Umständen mag das ein oder andere Zertifikat dazu dienen, den eigenen Marktwert zu steigern. Denn ein Gutes hat die Krise für den derzeitigen Stellenmarkt: Gastronomisch qualifiziertes Personal wird schon jetzt händeringend gesucht; wer an gut bezahlten Jobs in der Gastronomie und Eventbranche nach Corona interessiert ist, der hat jetzt auch als Quereinsteiger gute Karten.
Allein die Eventlocation Hannover bietet auf Portalen wie indeed, stepstone oder hotelcareer schon jetzt hunderte von Angeboten für Projektleiter, Manager und Servicekräfte, die zeigen, wie der Sommer aussehen kann: Die Gäste werden kommen, das Personal aber nicht. Arbeitnehmern bietet dieser Umstand mehr Verhandlungsspielraum: Es können höhere Forderungen gestellt werden und im Falle einer Absage bleiben genug andere offene Jobangebote bestehen. Arbeitgeber müssen versuchen, die eigenen Stellen attraktiver zu machen; indem sie Überstunden bezahlen, höhere Grundlöhne bieten oder feste freie Tage einplanen etwa.
Vielleicht kann so erreicht werden, was schon lange überfällig ist in der Gastronomie: ein faires Arbeitsverhältnis, in dem niemand über die Grenzen der eigenen Leistbarkeit gehen muss, um die Forderungen der Gäste und des Arbeitgebers zu erfüllen, in dem sich jeder gesehen und wertgeschätzt fühlt, unabhängig von der individuellen Vorgeschichte. Denn das ist klar: Wollen Jobs in der Gastronomie und Eventbranche nach Corona bestehen, muss sich etwas ändern.
„Das geht natürlich nicht von heute auf morgen“, sagt auch Ida Bahren, die lange in der Eventlocation Hannover als selbständige Eventmanagerin tätig war. Zu Zeiten des Lockdowns war sie plötzlich Hausfrau – die von ihr und ihren Kollegen geplanten Onlineveranstaltungen wie literarische Lesungen und Kunstausstellungen, die man am PC besuchen kann, lassen sich mit echten Events kaum vergleichen. „Die Konsumenten müssen sich bewusst sein, dass sie etwas tiefer in die Tasche greifen werden, wenn sie ein gewohnt hohes Niveau in Sachen Service und Organisation bekommen wollen.“
Eine düstere Aussicht?
Geschlossene Cafés, mehr Ruhetage im Restaurant, höhere Preise – einfach, weil das Personal fehlt?
„Die Menschen, die dahinterstecken, müssen wieder sichtbar werden“, sagt Bahren. Lange Zeit habe man eine funktionale Gastronomie- und Eventkultur einfach so hingenommen, ohne sich groß um die Bedingungen zu scheren, unter denen manche Menschen arbeiten müssen. „Vielleicht schafft die Krise mehr Bewusstsein dafür, was diese Leute leisten, die den Kaffee servieren und den Wein einschenken. Das sind eben keine Saisonarbeiter aus dem Ostblock, die über jede Bezahlung um den Mindestlohn froh sind und glücklich ihre Teller spülen, das sind Menschen wie Sie und ich auch, die gesehen und respektiert werden wollen.“
Corona war für viele Jobs in der Gastronomie eine Katastrophe: Arbeitslosigkeit, Kurzarbeitsgelder unter dem Existenzminimum, kein Trinkgeld, keine Zukunft. Das Virus jetzt als eine Chance zu begreifen, fällt sicherlich schwer.
So auch die ehemalige Kellnerin Winterhagen: „Ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll, dass es jetzt wieder vorbei ist. Ich glaube eigentlich nicht, dass sich was ändert. Der Job wird immer hart bleiben – und jetzt, ohne Kollegen, wird er nur noch härter.“
Ob es sich also wirklich lohnt zurückzukehren oder ob im nächsten Winter die neuerliche Prekarität folgt, kann niemand sagen.
Gastronom Fellner zeigt sich zuversichtlicher: „Komme was wolle, wir werden das schaffen“, sagt er bei einer Tasse Kaffee – serviert von einem jungen Kellner mit Maske. „Das ist ja das Schöne an unserer Branche. Wir machen das Unschaffbare schaffbar. Weil wir zusammenhalten, egal, aus welchem Hintergrund wir kommen.“
Und auch Bahren scheint verhalten optimistisch: „Wir haben schon jetzt dutzende Anfragen von Buchhandlungen, Ateliers und Museen, und meinen Kollegen im Hochzeits- und Eventmanagement geht es ähnlich. Die Leute wollen endlich wieder raus, wollen feiern und was erleben. Für die Eventbranche nach Corona und die Eventlocation Hannover kann es ein ganz ganz tolles Jahr werden – wenn wir nur alle am selben Strang ziehen und uns bemühen.“
Zusammenhalt, gemeinsam, Hoffnung für die Zukunft: Es sind schöne Worte, die die beiden Unternehmer hier nennen. Bleibt zu hoffen, dass die vielen helfenden Hände, die nötig sind, um Großevents wie Konzerte und Feiern auf die Beine zu stellen, diese Worte auch spüren, dass sie zurückkehren in die Branche, die sie einst liebten, und die Gastronomie in der wohl größten Krise ihrer gesamten Geschichte eine neuerliche Blüte erlebt.
Zu wünschen wäre es ihr.
* Namen von der Redaktion geändert.